Betriebstreue: So schnell wechseln die Deutschen ihren Job – DER SPIEGEL
Abwechslung schön und gut, doch letztlich wünschen sich viele Menschen einen sicheren Arbeitsplatz. Den Job fürs Leben, von der Ausbildung bis zur Rente, gibt es aber nicht mehr – so heißt es oft.
Doch das stimmt gar nicht. Wirft man einen gründlichen Blick auf die Zahlen, stellt man fest: Diese Annahme ist ein Mythos. Tatsächlich hat sich die durchschnittliche Zeit, die deutsche Arbeitnehmer bei demselben Betrieb arbeiten, in den vergangenen Jahren kaum verändert – im Gegenteil: Sie ist sogar leicht gestiegen.
Die jüngsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2014. Da lag diese Betriebszugehörigkeitsdauer bei 10,9 Jahren. Seit den achtziger Jahren hat sich der Wert sogar leicht erhöht, 1985 betrug er 10,1 Jahre. Auch bei den Befristungen sind die Änderungen nicht so dramatisch – zumindest, wenn man alle Befristungen außen vor lässt, die mit der Ausbildung zu tun haben, also Praktika oder Berufsausbildungen. (Mehr zu den Befristungszahlen in diesem Artikel.) Zwar hat sich der Wert seit 2004 leicht von 6,8 Prozent der Arbeitnehmer auf 7,4 Prozent erhöht. Doch er lag zwischenzeitlich schon höher, etwa in den Jahren nach Einführung der Hartz-Regelungen. In jüngster Zeit geht der Anteil eher zurück.
Entscheidend für die Betriebszugehörigkeit ist, in welcher Branche man arbeitet. In der Gastronomie sind schnelle Wechsel die Regel, im öffentlichen Dienst kann man sich auf lange Laufbahnen einstellen – wie die folgende Tabelle zeigt.
Auch der Anteil der Menschen unter den Beschäftigten, die länger als zehn Jahre bei einem Unternehmen waren, ist leicht gestiegen, von 39 Prozent im Jahr 2000 auf 42 Prozent in 2014. Umgekehrt sind die Kurzzeitbeschäftigungen von unter einem Jahr in der gleichen Zeit gefallen.
Also gar keine Beschleunigung? So ist es auch nicht. Für junge Arbeitnehmer dreht sich die Arbeitswelt tatsächlich schneller. In den ersten Jahren des Berufslebens sind die Beschäftigungsverhältnisse kürzer geworden. Betrachtet man jeweils Arbeitnehmer im Alter von 15 bis 30 Jahren, dann blieben sie Mitte der 1970er Jahre durchschnittlich 834 Tage beim selben Betrieb, im Jahr 2009 nur noch 652 Tage – ein Rückgang von 22 Prozent. Wer 1979 ins Berufsleben einstieg, behielt diese erste Stelle sogar durchschnittlich 920 Tage lang. Besonders stark betroffen von dieser Beschleunigung sind junge Arbeitnehmer ohne abgeschlossene Berufsausbildung.
Ein weiterer Mythos hält der Überprüfung nicht stand: der, wonach deutsche Arbeitnehmer besonders an ihrem Arbeitsplatz kleben und sich ungern verändern. Vergleicht man deutsche Arbeitnehmer mit denen anderer europäischer Industriestaaten, dann bleiben sie im Mittelfeld.